Es gibt wohl keinen, der nicht zumindest die Namen Rhett Butler und Scarlett O’Hara einmal in seinem Leben gehört hat. Die Namen selbst hatten sich bereits v or Jahren fest in mein Gehirn eingebrannt, doch ich habe mich jahrelang geweigert, den Film zu sehen. Im Rahmen einer Leserunde habe ich mich nun aber auf 1119 Seiten mit Scarlett und Rhett und den Südstaaten auseinandergesetzt und ich muss sagen: es hat sich wirklich gelohnt.
Erwartet habe ich eine kitschige Liebesgeschichte, Herzschmerz, große Gefühle – bekommen habe ich unheimlich viele Eindrücke in das Leben in den Südstaaten rund um den amerikanischen Bürgerkrieg und den Wandel von der Sklavenwirtschaft hin zu einer neuen Generation von Farmern.
Scarlett O’Hara wächst wohl behütet auf der Baumwollplantage Tara auf und wird ganz im Sinne des Südstaaten-Ehrgefühls als junge Frau auf, die für Bälle, schöne Kleider und wohlerzogene Gentlemen schwärmt. Ganz speziell für den einen: Ashley Wilkes. Doch der junge Mann ist bereits verlobt und da Scarlett ihn nicht mit ihren Reizen betören kann – der ungehobelte Rhett Butler erlebt dieses Schauspiel samt Wutausbruch mit – heiratet sie kurzerhand Charles, der kurz nach der Hochzeit stirbt, während Ashley in den Krieg zieht. Scarlett bleibt zurück mit einem Kind, zu welchem sie keinerlei Muttergefühle aufbauen kann. Scarlett verlässt Tara und lebt fortan mit Ashleys Frau Melanie und deren Tante Pitty in Atlanta. Nachdem Rhett Butler es Scarlett ermöglicht hat trotz Witwendasein auf einer Wohltätigkeitsveranstaltung ausgelassen zu tanzen – was tut man nicht alles für den guten Zweck – und sich bei Melanie auf ritterliche Weise in deren Herz geschlichen hat, wird er obwohl in allen angesehenen Familien Atlantas verpönt zum gern gesehenen Gast in Pittys Heim. Doch der Krieg schreitet unerbittlich voran, Ashley gerät in Gefangenschaft und Scarlett muss ausgerechnet Melanie helfen, ihr Kind zur Welt zu bringen, während Atlanta bereits zum Kriegsschauplatz geworden ist. In einer Nacht und Nebel Aktion fliehen die Frauen samt Kindern und Sklaven zurück nach Tara, doch auch hier ist nichts mehr so, wie es einmal war. Scarlett bleibt nur eine Wahl: Gefühle ausschalten und dem Überlebenstrieb folgen: Essen suchen, Geld verdienen und die Familie samt Plantage retten. Und so wandelt sich die junge, verspielte Scarlett immer mehr und entfremdet sich dabei von ihren Wurzeln…
Mein Fazit
Nein, „Vom Winde verweht“ ist keine klassische Romanze, in der es ausschließlich darum geht, dass Mann und Frau zusammenfinden und schließlich bis ans Ende ihrer Tage glücklich zusammenleben. Auch wenn Liebe, in diesem Fall Scarletts zu Ashley und Rhett schon immer irgendwo mit vorhanden ist und thematisiert wird, so präsentiert Margaret Mitchell doch vielmehr das Leben in den Südstaaten vor und nach dem Bürgerkrieg und zeigt dabei auch unterschiedliche Wege, wie die Menschen mit den neuen Gegebenheiten umgegangen sind und wie sie an alten Idealen festzuhalten versuchten oder auch aus Überlebensangst ganz andere Wege einschlugen.
Allein deshalb kann ich „Vom Winde verweht“ jedem wirklich empfehlen, der neben ein wenig Liebe und Herzschmerz auch viel über die Südstaaten und den Umbruch erfahren möchte.
Margaret Mitchell: Vom Winde verweht
Taschenbuch
Verlag: Ullstein Taschenbuch
Seiten: 1119
ISBN-13: 978-3548261898