Anna Kaleri hat ihre Großmutter nie kennengelernt und so machte sie sich auf die Suche nach ihrer Geschichte, eine Suche, die bis nach Masuren führte und sie zu dem Roman „Der Himmel ist ein Fluss“ inspirierte.
„Meine masurische Großmutter konnte ich nicht kennen, weil sie im Januar 1945 erschossen wurde. Ich habe nie ein Foto gesehen, lange wusste ich nicht einmal ihren Vornamen. Es gibt keinen Kirchenbucheintrag, keinen Grabstein. Es ist, als hätte es sie nicht gegeben.“
Minna lebt mit ihrer Familie in einem kleinen masurischen Dorf. Wenn sie nicht gerade der Mutter im Hause zur Hand geht oder auf ihre Schwester Acht gibt, arbeitet sie auf dem Land, wie viele andere Frauen aus der Umgebung auch. Doch was viele nicht wissen, Gertrud, ihre Schwester, ist alles andere als ihre Schwester – der Landbesitzer, bei welchem sie arbeitet, ist der Vater und vergreift sich gerne an seinen jungen Arbeiterinnen. Doch außer Minna hatte keine das Pech, ein Kind davonzutragen.
Auf ihrem Weg durch die Natur lernt Minna den Vogelkundler Gwidon kennen, dem sie sich schnell verbunden fühlt. Doch die Freundschaft steht unter keinem guten Stern: nicht nur ist Gwidon ein verheirateter Mann, dessen Frau in der Stadt auf ihn wartet, er ist auch noch – was zu jener Zeit regelrecht verboten war – ein polnischer Katholik. Doch Minna schert sich nicht um Politik oder Religionszugehörigkeit. Sie ist fasziniert von der Person selbst, Gwidons Charakter. Und so beschließt sie, nachdem er in die Stadt zurückgekehrt ist, eine Anstellung in der Stadt anzunehmen. Im Hause eines Apothekerpaares ist sie fortan für die Kinder zuständig und hilft ab und zu in der Apotheke aus. Auch Gwideon, der nichts von ihren Plänen wusste, sucht sie auf und trifft sich fortan regelmäßig mit ihm.
Doch die beiden können den politischen Entwicklungen nicht entkommen. So wird Gwideon aufgrund seiner Abstammung entlassen. Als Minna ihn an seinem letzten Arbeitstag unerwartet abholt, kommen beide in eine Polizeikontrolle und werden festgenommen und Minna muss für mehrere Jahre ins Arbeitslager.
Mein Fazit:
Anna Kaleris Roman hat mich bereits inhaltlich angesprochen, denn auch meine Großeltern mütterlicherseits stammen aus Ostpreußen und erzählen beide oft von ihrer alten Heimat. So kann ich Kaleris Beweggründe sehr gut verstehen.
Die Geschichte rund um Minna, die in ihrem kurzen Leben so viele Schicksalsschläge erdulden muss, ist wirklich einfühlsam geschrieben und berührt den Leser zutiefst, der immer an ein Happy End glauben mag. Nein, ein solches gibt es hier nicht.
Was mich neben der eigentlichen Lebensgeschichte Minnas wirklich noch begeistert hat ist, dass Anna Kaleri es wirklich geschafft hat, die Einstellung der Dörfler zum Thema Politik und zu den Geschehnissen in Deutschland so gut wiederzugeben. Es passt perfekt zu den Eindrücken, die mein Opa mir häufig aus seiner Kindheit schildert, wodurch der Roman für mich um so authentischer wirkt.
Anna Kaleri: Der Himmel ist ein Fluss
Hardcover
Verlag: Graf Verlag
Seiten: 223
ISBN-13: 978-3862200320