Ich muss gestehen, ich bin ein riesiger Fan von Umberto Eco und habe wohl die meisten seiner Romane gelesen – einen davon sogar ein Semester lang in der Uni durchgesprochen. Es ist immer wieder faszinierend wie viel Hintergrundwissen Eco zusammenträgt und in seine Romane einbindet. Vermutlich deshalb brauche ich meist etwas mehr Zeit, um Ecos Bücher zu lesen und möglichst viele Informationen in mich aufzusagen. So auch, wie eigentlich nicht anders zu erwarten, bei „Der Friedhof in Prag“.
Auf verschlungenen Wegen ist der Italiener Simon Simonini fernab der Heimat in Paris angelangt, wo er eines Morgens aufwacht und eine Erinnerungslücke wahrnimmt, die ihn schwer belastet. Da er vor einiger Zeit von einem jungen Arzt erfahren hat, dass Traumapatienten oft durch eine Gesprächstherapie ihr Trauma bewältigen können, beginnt er seine Erinnerungen ausgehend von seiner Jugend in Italien zu rekonstruieren. Als er nach einer Schlafpause sein Buch zur Hand nimmt muss er jedoch mit Schrecken feststellen, dass ein gewisser Dalla Piccola seine Einträge kommentiert hat. Wer ist dieser Fremde und warum erdreistet dieser Mensch sich, seine Erinnerungen zu kommentieren – ja regelrecht zu korrigieren und auszufüllen?
Gemeinsam machen sich die beiden innerhalb des Notizbuchs daran, Simoninis Geschichte sowie die des Dalla Piccola aufzuarbeiten und begeben sich tief hinab in ein dunkles Geflecht aus Spionage, gefälschten Militärpapieren, Intriegen ohne Ende. Und alles läuft auf ein und dasselbe Feindbild hinaus: die Freimaurer und die Juden.
Umberto Eco ist ohne Frage der Meister des historischen Romans. Angesiedelt im ausgehenden 19. Jahrhundert und damit nur wenige Jahrzehnte vor dem 2. Weltkrieg lässt er seinen Protagonisten ein ausuferndes Pamphlet erdichten, welches als Beleg für die jüdische Weltverschwörung herhalten soll. Mit Hinblick auf die späteren Geschehnisse in Deutschland wirklich erschreckend und faszinierend zugleich. Wie viel Macht doch von einem einfachen Blatt Papier ausgehen kann, wenn sich genug Menschen finden, die daran glauben bzw. glauben wollen.
Besonders amüsiert hat mich Simoninis Betrachtung der verschiedenen Landsleute ganz zu Beginn des Romans. An keinem kann er wirklich ein gutes Haar lassen. So zieht er sowohl die Italiener und Franzosen als auch – und das fand ich wirklich amüsant – die Deutschen ein wenig durch den Kakao. Danke für diese hervorragenden Klischees 😉
Umberto Eco: Der Friedhof in Prag
Hardcover
Verlag: Hanser
Seiten: 528
ISBN-13: 978-3446237360